Nie war es einfacher, die eigene Musik auch ohne Plattenvertrag zu veröffentlichen und das Marketing dafür selbst in die Hand zu nehmen. Gleichzeitig ist es in der Masse neuer Songs und Alben jedoch sehr schwer, so aufzufallen, dass mehr als nur die engsten Fans davon Notiz nehmen. Wichtiger denn je ist es daher für dich als Künstler, Musikerin oder für deine Band, ein glaubhaftes Image zu entwickeln. Das, was Marketingexperten gern als Alleinstellungsmerkmal (engl.: unique selling point, USP) bezeichnen, ist vor allem die Frage: Was macht dich und deine Musik unverwechselbar? Hier erfährst du, warum du deine Band auch als Marke betrachten solltest und bekommst Tipps, wie du ein Band-Image entwickeln kannst.
Musikpromotion: Alte Strategien funktionieren nicht mehr
Die großen Plattenfirmen trauern den 80er-Jahren nach. Denn zu dieser Zeit machte die Tonträgerindustrie so große Umsätze wie selten zuvor und nie mehr danach. Jeder Albumveröffentlichung ging eine Lead-Single voraus, zu der fast immer ein aufwendig produziertes Musikvideo gehörte. Nach dem Releasetermin wurde alle paar Monate eine neue Single auf den Markt gebracht. Das Ziel: den Künstler möglichst lange im öffentlichen Fokus zu halten. Dem Radio kam hier als wichtigem Meinungsmacher und großer Werbeplattform eine besondere Rolle zu.
Es ist ironisch, dass sich die Strategie der großen Plattenfirmen, was die Veröffentlichung neuer Musik betrifft, in den letzten 40 Jahren nicht wesentlich verändert hat. Zumindest kann ich bisher keine radikalen Neuerungen erkennen, obwohl die Musikindustrie in den letzten beiden Jahrzehnten zweifellos von einem tiefgreifenden Wandel geprägt war.
Neue Chancen für Independent-Musiker
Genau deshalb bieten sich gerade für Independent-Künstler in diesen Zeiten verschiedene Chancen, den Markt disruptiv aufzumischen und Dinge anders zu machen, als es die Major-Labels tun. Es gibt wenig zu verlieren – und viel zu gewinnen. Zuerst musst du aber herausfinden, was ihr als Band genau erreichen möchtet und wie Ihr in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollt.
Denn es gibt zwei verschiedene Arten von Bands, die du sicher auch kennst: Die einen haben passive Zuhörer und schaffen es nicht aus dem Schatten der „Support-Band“ heraus zu treten, während die anderen mit euphorischen Fans und einer tollen Bühnenshow dem Hauptact den Rang ablaufen. Ich habe als Schlagzeuger schon beides erlebt und es wird dich nicht überraschen: Die zweite Variante ist wesentlich cooler als die erste. Was hat Band B also anders gemacht als Band A?
Falco als Musterbeispiel für ein Musiker-Image
Bevor ich dir darauf eine Antwort gebe, will ich kurz einen Blick nach Österreich werfen, als Johann Hölzel 1978, inspiriert durch den DDR-Skispringer Falko Weißpflog, sein Alter-Ego „Falco“ kreierte. Zunächst noch lässig mit Lederjacke und Turnschuhen bekleidet, perfektionierte er ab seinem zweiten Album sein optisches Erscheinungsbild, wodurch er zu einer gefragten Persönlichkeit des öffentlichen Lebens wurde.
Sein Auftreten und sein Image waren zu dieser Zeit mindestens genauso wichtig wie seine Musik. Er ließ sich unzählige Designer-Anzüge schneidern und zeigte sich stolz im Frack auf dem Wiener Opernball, bevor sein Hit „Rock me Amadeus“ im März 1986 an die Spitze der US-Charts kletterte. Zu dieser Zeit war die Marke „Falco“ bereits voll entwickelt und er zeigte sich so, wie ihn seine Fans haben wollten: arrogant, provokant und unnahbar. Einige Jahre vor seinem Tod sagte er in einem Interview etwas sehr Interessantes: „Ich schau’ halt, dass ich ein gewisses Falco-Gesicht nach außen trag‘, weil ich das ja auch zu 99 Prozent bin.“
Finde deinen eigenen Stil
Und genau das solltet ihr auch tun: Die Rolle des Künstlers mit all seinen Eigenarten durch und durch verkörpern. Ohne Wenn und Aber. Vielleicht denkst du gerade: „Ich will doch nur Musik machen und ich will, dass die Leute meine Musik mögen. Das kann doch nicht so schwer sein.“ Richtig. Wenn du ein Songwriter sein möchtest, dann brauchst du nicht mehr weiter zu lesen. Du kannst in den nächsten Jahren Hunderte von Songs schreiben, einen guten Deal mit einem Musikverlag aushandeln und ein ruhiges Leben hinter dem Rampenlicht der Musikindustrie führen.
Wenn du aber als Künstler auf der Bühne stehen und erfolgreich sein willst, dann darfst du nicht nur eine Rolle spielen. Du musst sie leben. Denn eines ist klar: Es gibt viele gute Musiker da draußen und es gibt mindestens ebenso viele gute Songwriter. Interessant ist aber folgendes: Obwohl sich die handwerklichen Fähigkeiten vieler Musiker und Musikerinnen in den letzten Jahren immer weiter verfeinert und perfektioniert haben, schaffen es nach wie vor nur ganz wenige Bands, ihren eigenen Stil zu finden und diesen richtig nach außen zu kommunizieren.
Ein besonderer Sound oder eine markante Stimme, neuartiges Songwriting, eine außergewöhnliche Live-Performance oder eine besondere visuelle Ästhetik: Es gibt viele Möglichkeiten, zu deiner Band eine einzigartige Story zu entwickeln.
3 wichtige Tipps für das Image deiner Band
Ein Problem, über das ich in der Vergangenheit übrigens selbst gestolpert bin, liegt darin, eine Künstlerwelt zu erschaffen, die in sich völlig rund und konsistent ist: Alles greift in einander, alles passt zusammen. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich diese Aufgabe am besten lösen kann und muss dir ehrlich sagen, dass ich mit dem Ergebnis immer noch nicht ganz zufrieden bin. Trotzdem möchte ich dir im folgenden drei Schritte zeigen, die euch dabei helfen können, euren Stil als Band zu finden:
1. Überlegt euch genau, wofür ihr als Künstler steht. Was könnt ihr befürworten? Was lehnt ihr ab? Woran glaubt ihr? Was sind eure Werte? Diskutiert das gemeinsam und erstellt eine Tabelle, in der ihr Schlüsselwörter sammelt, die eure Band zukünftig in der öffentlichen Wahrnehmung definieren könnten: provokant, aggressiv, nachdenklich, hip, frech, verträumt, übertrieben, etc… Sobald ihr ca. zwanzig Schlüsselwörter gesammelt habt, solltet ihr in einer weiteren Tabelle die Schlagworte eintragen, die nichts mit euch zu tun haben.
2. Im nächsten Schritt geht es um das, was ich als kreatives Schreiben bezeichne: Erzähle die Geschichte eurer Band (die in Teilen durchaus fiktiv sein kann). Denke immer daran, dass dieser Abschnitt jederzeit aktualisiert und verändert werden kann. Versuche den Text so zu gestalten, dass er sich wie eure Musik anfühlt. Wort und Ton ergänzen sich im besten Fall miteinander. Übrigens: Diese Arbeit ist nicht für fremde Augen bestimmt. Es geht einzig und allein darum, dass ihr eine klare Vision davon bekommt, wie ihr in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollt.
3. Dafür ist ausschlaggebend, wie ihr eure künstlerische Ästhetik definiert. Denn diese soll beim Publikum ja das Interesse an der eigentlichen, künstlerischen Vision und eurer Musik wecken. Doch wie stellt man das am besten an? Mein Vorschlag ist hier, einen Account bei Pinterest anzulegen. Erstellt eine Art erstes „Inspirations-Board“, das als Ausgangspunkt für alle späteren Boards dient. Pinnt Bilder an das Inspirations-Board, die sich wie euer Projekt anfühlen. Setzt euch keine Grenzen: Fotografien, Landschaften, Farben, Mode, Logos, Plattencover, T-Shirt-Designs, etc. Seid so abwechslungsreich wie möglich.
Es geht an dieser Stelle darum, ein Gefühl sichtbar zu machen. Lasst euch genügend Zeit für diesen Prozess, der mindestens vier bis sechs Wochen in Anspruch nehmen sollte – und eigentlich nie vollständig abgeschlossen ist. Sobald ihr zufrieden seid, empfehle ich euch, folgende Boards zu kreieren: Foto, Live, Kleidung und Video. Fügt diesen nur Bilder von Personen hinzu, die euch dabei helfen, eure Ästhetik und eure Vision zu konkretisieren. Teilt diese Boards später mit Leuten, die für euch arbeiten, zum Beispiel mit eurer Fotografin, dem Lichtdesigner oder Videoregisseurin, etc.
Pinterest-Board für das visuelle Image
Denn nichts ist schlimmer, als die Entwicklung eurer Vision in fremde Hände zu legen. Wenn ihr euch dazu entscheiden solltet, Letzteres zu tun, dann ist es leider sehr wahrscheinlich, dass ihr am Ende Bilder habt, die nicht zu eurem Musikvideo passen oder dass das Musikvideo nicht zu eurem Albumcover passt usw. – Du verstehst sicher, was ich meine… Das könnt ihr ganz einfach vermeiden, indem ihr den Leuten, mit denen ihr zusammenarbeitet, klare Anweisungen gebt. Euer Pinterest-Board kann dafür ein guter Anfang sein.
Aus eurer Vision entsteht die Story deiner Band
Sobald ihr euch darüber klar geworden seid, wie ihr nach außen hin wirken wollt, wird sich alles andere fast wie von selbst ergeben. Denn plötzlich wisst ihr ganz genau, was ihr auf der Bühne oder bei einem Fotoshooting anziehen werdet. Oder was ihr auf Instagram oder der Website posten könnt und was besser nicht. Ihr werdet unglaublich schnell Albumcover- oder Musikvideo-Ideen entwickeln und wieder verwerfen können, wenn diese nicht in die Ästhetik des Projekts passen.
Denkt aber immer daran: Ästhetik ist nur der Weg, um eure Vision zu kommunizieren. Genauso wichtig ist es, eine fesselnde Story zu haben, die sich wie eure Musik, eure Vision und eure Ästhetik anfühlt. Es muss alles einen Sinn ergeben und darf zugleich nicht kompliziert oder verkopft wirken.
Mir fällt in diesem Zusammenhang immer die Geschichte der finnischen Rockband Sunrise Avenue ein: Nachdem sie von zahlreichen Produzenten abgelehnt worden waren, einigte man sich Ende 2004 darauf, mit Produzent Jukka Backlund ein Album aufzunehmen, ohne dass die Band einen Plattenvertrag hatte. Die dazu nötigen finanziellen Mittel stellte ein Freund der Band, Mikko Virtala, durch den Verkauf seines Hauses zur Verfügung, so wurde es zumindest erzählt. Ob die Geschichte wahr ist oder nicht, sei dahingestellt – genial ist sie aber auf jeden Fall.
Muss deine Band überhaupt als Marke funktionieren?
Möglicherweise fühlt es sich für dich gerade so an, als sei das alles viel zu geplant und konstruiert. Du spielst schließlich nicht in einer am Reißbrett designten Boy-, Girl- oder anderen Casting-Band, oder?
Aber wie heißt es so schön: „Planung ohne Ausführung ist meistens nutzlos – Ausführung ohne Planung ist hingegen meistens fatal.“ Alle diese Schritte sind nur Werkzeuge, die euch dabei helfen werden, eure künstlerische Vision zu entwickeln und zu festigen, sodass ihr euch als Band in Zukunft optimal in Szene setzen könnt, um so vor euren Fans zu glänzen.
Jetzt interessiert mich deine Meinung: Hast du dir schon über deine/eure künstlerische Vision Gedanken gemacht? Spielt ein Band-Image deiner Meinung nach überhaupt eine Rolle oder sollte man sich als Band/Künstler gar nicht solche Gedanken über Marke und Marketing machen? Ich freue mich von dir zu hören.