Die Entscheidung, fünf Jahre meines Lebens an einer Musikhochschule zu verbringen, hatte nichts damit zu tun, dass ich mir nach sechs Semestern ein nettes Zeugnis an die Wand hängen wollte. Sicherlich, das internationale Renommee der Einrichtung und das exklusive Dozenten-Team waren tolle Details, die ich zu schätzen wusste. Jedoch waren das nicht die ausschlaggebenden Gründe für meine Entscheidung, an einer Musikhochschule zu studieren. Was war also der Punkt? Kurz gesagt: Es ging mir darum, andere Musiker kennenzulernen und mein Netzwerk zu erweitern. Und dieser Plan ging auf.
Zur Semestereröffnungsfeier spielte ich auf einer Jam Session in Karlsruhe und lernte in den folgenden Monaten eine ganze Reihe von Musikern kennen. Mit manchen arbeitete ich nur einmal, mit anderen regelmäßig und mit einigen anderen nie. So ist das Musikgeschäft. Einige, mittlerweile gute Freunde, stellten mich wiederum ihren Freunden und Kollegen vor. Du fragst dich jetzt sicher: Warum taten sie das? Ich denke, das geschah aus zwei Gründen: Erstens, weil sie mich für einen guten Schlagzeuger hielten und zweitens, weil sie mich sympathisch fanden.
Dein Netzwerk im Musikbusiness starten
Der Aufbau eines Netzwerks im Musikbusiness funktioniert letztlich so wie in anderen Berufen auch und ist im besten Fall dynamisch: Du arbeitest für jemanden, der dich weiterempfiehlt oder du lernst jemand kennen, der dich neuen Leuten vorstellt. Diese bringen dich dann wiederum mit anderen Kollegen zusammen oder empfehlen dich weiter. Je größer das Netzwerk, das du aufbauen kannst, desto mehr wird es dir dabei helfen Arbeit zu finden.
Doch lass uns zunächst einen Schritt zurückgehen. Wie sieht die Situation aus, wenn du ganz am Anfang deiner Musikerkarriere stehst? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass du zu Beginn nicht in einer der großen Musikmetropolen wie Berlin, London oder Los Angeles lebst. (Wenn doch, dann sei glücklich und dankbar dafür – und beginne noch heute, an deiner Karriere als Musiker zu arbeiten.) Allen anderen empfehle ich, folgende Herausforderung anzunehmen: Versuche zuerst, der beste Musiker in deiner Stadt zu werden. Hast du das geschafft, packst du deine Sachen und ziehst in die nächstgrößere Stadt. Versuche dort dasselbe. Hier triffst du andere Musiker, die meist besser vernetzt sind als du. Daraus ergeben sich für dich neue Möglichkeiten, um als Schlagzeuger an Jobs zu kommen.
Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, wenn gerade junge Musiker mehrmals umziehen, ehe sie sich dazu bereit fühlen, ihr Glück in einer der großen Musikmetropolen zu suchen. Diese Strategie hat sich übrigens bei ganz vielen Schlagzeugern bewährt und parallel dazu solltest du auch mit deiner persönlichen Entwicklung und deinem Handwerk voranschreiten. Eines will ich dir aber klar sagen: Diese Taktik funktioniert dann am besten, wenn du jung und ungebunden bist. Denn so ein Plan ist nicht ohne Risiken und mit einer Familie natürlich viel schwerer umzusetzen. Solange du unabhängig bist, kannst du deine Chance nutzen und schauen was passiert. Sollte es nicht funktionieren, dann kannst du jederzeit nach Alternativen suchen und die Weichen in Richtung einer erfolgreichen Zukunft stellen.
Sei ein professioneller Musiker und ein netter Kollege
Auf meinem Weg zum professionellen Schlagzeuger habe ich versucht, von Beginn an Teil einer jungen und aufstrebenden Gruppe von Musikern zu werden. Für mich erschien diese Strategie wesentlich erfolgversprechender als zu versuchen, mich in schon lange bestehende Netzwerke „hineinzuarbeiten“. Es gibt schließlich immer eine neue, aussichtsreiche Generation an Musikern, die ebenso erfolgreich sein wollen wie du – und die Basis für dein neues Netzwerk bilden können. Wenn du mit diesen Kollegen eine positive Verbindung aufbaust, während sie sich ebenfalls nach oben arbeiten, dann hast du gute Chancen empfohlen zu werden, wenn sie sich zum Beispiel bei einem großen Act als Sideman etabliert haben.
Du wirst sehen: Die meisten Jobs ergeben sich aus gut gepflegten, persönlichen Kontakten mit Musikern und Plattenfirmen. Doch auch wenn du denkst, du hast dein persönliches Ziel erreicht, solltest du dich nicht darauf ausruhen. Denn jeder Musikstil wird von einem unterschiedlichen Kreis an Musikern bedient. Deshalb rate ich dir, so viele Leute wie möglich kennenzulernen, damit du für eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeit in Betracht gezogen wirst. Eine wichtige Regel lautet dabei: „Reiße niemals Brücken ein“. Denn die Leute, denen du auf deinem Weg nach oben begegnest, triffst du auch bei deinem Weg nach unten…
Niemand weiß, wie sich die Zukunft entwickeln wird und welche Möglichkeiten sich für dich ergeben. Eines kann ich dir aber sagen: Schon mehr als einmal haben mir Leute Türen geöffnet, von denen ich es am wenigsten erwartet hätte. Umgekehrt haben mich aber auch Kollegen fallen gelassen, obwohl ich diese zu meinen Freunden zählte. Was kannst du daraus lernen? Behandle jeden deiner Kontakte so, als ob er der wichtigste Mensch in deinem Leben wäre. Denn jeder, den du heute schlecht behandelst, hätte in Zukunft jemand sein können, der dir zu Arbeit verhilft. Es gibt viele Beispiele von Musikern, die zu Beginn ihrer Karriere massiv unterschätzt wurden und es später allen zeigen sollten. Also denke immer daran: Zerstöre niemals Brücken, über die du in Zukunft nochmal gehen musst.
Gigs und Partys zum Netzwerken nutzen
Wenn du dein Netzwerk aufbaust, dann wirst du mit der Zeit zu immer mehr Veranstaltungen, Showcases und Release Partys eingeladen werden. Wer es versteht, diese Events gut zu nutzen, kommt meiner Erfahrung nach am schnellsten voran. Deshalb habe ich bei solchen Terminen Visitenkarte, Stift und Tablet immer griffbereit. Was kann dir eine solche Veranstaltung bringen? Nun, es gibt zwei Möglichkeiten: 1. Du kommst mit niemandem in Kontakt. Dann hättest du dir den ganzen Aufwand sparen können. 2. Du verlässt die Veranstaltung mit dem guten Gefühl, dein Bestes gegeben und bei neuen Kontakten einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Letzteres passiert jedoch nicht automatisch. Interessiere dich für die Karrieren und Gigs deiner Kollegen, baue aber auch deine Interessen und Erfahrungen in einen intelligenten Smalltalk ein.
Ich kenne viele Kollegen, die nach solchen Events direkt ins Taxi gestiegen und in die angesagten Clubs der Stadt gefahren sind, um dort zu feiern und andere Musiker zu treffen. Ich halte es für eine ganz natürliche Sache, dass sich Musiker für andere Musiker interessieren. Mich persönlich faszinieren zum Beispiel Kollegen, die toll klingen und die Musik mit ihrem persönlichen Stil bereichern. Wenn du also gut vorbereitet bist und du dein Instrument sehr gut beherrschst, dann kann es durchaus passieren, dass du in einem kleinen Club von einem bereits etablierten Session-Musiker entdeckt wirst.
Neue und alte Kontakte sorgsam pflegen
Wenn du diese Chance erhalten hast, dann halte den Kontakt aufrecht. Versuche, nachdem du jemanden kennengelernt hast, ein zweites Treffen zu arrangieren und schreibe nach zwei bis drei Monaten eine Mail. So gerätst du nicht in Vergessenheit. Ich frage darin meistens, was es Neues gibt und erzähle, an welchen Projekten ich zur Zeit arbeite. Aber du hast Recht: Networking ist zeitaufwändig und kann gelegentlich auch anstrengend sein. Auch bei mir vergehen so manchmal Wochen oder gar Monate, in denen ich es einfach nicht schaffe, alle Kontakte regelmäßig zu pflegen. Im schlimmsten Fall dauert es fast ein ganzes Jahr, bis ich Kollegen erneut kontaktiere und dann erfahren muss, dass der eine oder andere tolle Job anderweitig vergeben wurde.
Glücklicherweise stimmt aber oft auch das Timing und ich frische genau zur richtigen Zeit Kontakte auf, die mich umgehend für einen aktuellen Job empfehlen. Sie hatten mich zu diesem Zeitpunkt einfach nicht „auf dem Radar“ gehabt oder dachten, ich sei anderweitig beschäftigt. Du siehst also wie wichtig es ist, regelmäßig dein Netzwerk zu pflegen.
3 praktische Tipps fürs Networking unter Musikern
1. Antworte immer
In den letzten Jahren erlebe ich es immer wieder, dass Anrufe oder E-Mails nicht beantwortet werden. Das ist natürlich ein absolutes No-Go. Auch wenn du einen Job nicht spielen kannst oder willst, sollte es selbstverständlich sein, dass du dem Kollegen, der dich empfohlen hat, absagst und dich für seine Unterstützung bedankst.
2. Sei erreichbar
Auch du wirst sicher mal Kollegen weiterempfehlen, in dem Fall solltest du ihnen meiner Erfahrung nach unbedingt deine Telefonnummer hinterlassen. Es kann nämlich immer sein, dass sie deine Kontaktdaten entweder verloren haben oder sie auf diese nicht schnell und problemlos zugreifen können. Mache es ihnen leicht, mit dir Kontakt aufzunehmen. Sie werden es dir danken.
3. Ordne deine Kontakte
Wenn dein Netzwerk wächst, wird dir schnell klar: Es ist unmöglich, dir alle wichtigen Informationen zu merken. Deshalb verwende ich eine einfache Excel Tabelle, in die ich neben dem Namen, der Mail-Adresse und der Telefonnummer auch weitere Informationen wie zum Beispiel die Position der jeweiligen Person bei einer Plattenfirma oder innerhalb einer Band eintrage. Wenn du deine Kontakte in dieser Form organisierst, kannst du sie schnell anhand verschiedener Kriterien durchsuchen. So kannst du dir zum Beispiel mit einem Klick alle Bassisten anzeigen lassen, die du kennst. Clever oder? 😉 Um keine wichtigen Details zu vergessen, trage ich diese Informationen möglichst sofort ein, nachdem ich jemanden neu kennengelernt habe.
Denn worum geht es am Ende? Es kommt darauf an, wen du kennst und wie du diese Personen zum passenden Zeitpunkt problemlos erreichen kannst. Schließlich weiß niemand im voraus, welcher deiner vielen Schritte letztlich zum Erfolg oder wenigstens zum nächsten Gig führt. Eines kann ich dir aber mit Gewissheit sagen: Networking gehört im Musikbusiness auch für Schlagzeuger auf jeden Fall dazu.
Jetzt möchte ich von dir wissen: Wie hast du dein Netzwerk im Musikbusiness aufgebaut? Ich freue mich von dir zu hören.