Die Digitalisierung verändert das Musikbusiness. Egal ob es um den Verkauf lukrativer Musikkataloge etablierter Künstler geht oder um die aktualisierte Gesetzgebung des Urheberrechts. Veränderungen sind allgegenwärtig und wirken sich auf Major- und Independent-Künstler ganz unterschiedlich aus. Lasst uns überlegen, warum alte Songs momentan so populär sind, und was hinter dem neuen Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie steckt.
Alte Songs sorgen für Rekordumsätze in der Zukunft
Seit einiger Zeit liegt die Übernahme ganzer Musikkataloge durch extrem solvente Käufer im Trend. Investoren bezahlen für die Urheberrechte bekannter Künstler oder einzelner Evergreens riesige Geldsummen. Die Basis dafür sind gut berechenbare Einkünfte aus dem Musik-Streaming.
Von Bruce Springsteen, George Harrison und Pink Floyd bis zu Justin Timberlake und David Guetta: Für die Musikkataloge von Rock- und Popkünstlern bezahlen Investoren mittlerweile 100 Millionen US-Dollar und mehr. Auch Bob Dylan, Neil Young und Linda Ronstadt haben die Rechte ihrer Songs bereits ganz oder teilweise verkauft. Für die Künstlerinnen und Künstler bedeuten diese Deals eine hohe Einmalzahlung, dafür verzichten sie auf die jährlichen Tantiemen.
Und auch für die Investoren lohnt sich das Aufkaufen der Musikkataloge etablierter Künstler – denn diese Investition bietet berechenbare (hohe!) Umsätze. Spotify berichtete, dass im Jahr 2022 ein Drittel aller Songs in den Charts des Streaming-Anbieters keine neuen Stücke waren, sondern Songs aus den Katalogen bereits etablierter Musikerinnen und Musiker. Im Folgenden nenne ich dir fünf weitere Gründe für das gestiegene Interesse an Musikkatalogen.
5 Gründe, warum Investoren Geld in Musikkataloge anlegen
- Streaming und die aus den Streams und Downloads generierten Daten haben es in den letzten Jahren wesentlich einfacher gemacht, den Wert eines Songs konkret zu bestimmen. So lassen sich zukünftige Einnahmen und Renditen relativ genau vorhersagen. Das macht Musikkataloge zu besonders attraktiven Investitionen mit hohem Renditeversprechen.
- Das Zinsniveau war in den letzten Jahren weltweit sehr niedrig. Entsprechend setzten Investoren verstärkt auf innovative Möglichkeiten, um Geld in weniger volatile Werte anzulegen. Die Musikkataloge versprechen hier sichere und zudem langfristige Einnahmen.
- Die Markteintrittsbarrieren in das Verlagsgeschäft sind in den letzten Jahren massiv gesunken. Außerdem ist es durch den technologischen Fortschritt heutzutage einfacher als jemals zuvor (und auch kostengünstiger) Musikkataloge zu verwalten.
- Auch die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Kontaktbeschränkungen und Tournee-Absagen mögen dazu beigetragen haben, dass sich Künstler an anderweitigen Einnahmequellen orientieren. Denn keine Tourneen bedeuten auch keine Einnahmen – und selbst für so anerkannte Künstler wie David Crosby hat das zur Folge, dass er sich um alternative Einnahmequellen kümmern muss.
- Zudem lässt der Investorenbericht des Hipgnosis Songs Funds darauf schließen, dass das Unternehmen Künstlerinnen und Songschreibern für ihre Kataloge ein Vielfaches von den ansonsten jährlich ausgeschütteten Tantiemen bezahlt. Das bedeutet: Je bekannter und erfolgreicher der Künstler ist, desto wertvoller ist sein Musikkatalog.
Wie sicher ist die Zukunft des Musikmarktes?
Momentan ist nicht zu 100% vorhersehbar, in welche Richtung sich die Musikindustrie in Anbetracht des technologischen Fortschritts in den nächsten zwei oder drei Jahrzehnten entwickeln wird. Vielleicht gibt es in Zukunft technologische Innovationen, beispielsweise im Bereich der KI, die den gegenwärtigen Wert von Musik dramatisch sinken lassen. Im Angesicht solcher Szenarien wirken die sofortigen Einnahmen durch den Verkauf eines Musikkataloges natürlich deutlich attraktiver. Selbst Neil Young, der 1988 noch sang „Ain’t singin‘ for Pepsi, ain’t singin‘ for Coke. I don’t sing for nobody. Makes me look like a joke“ hat Anfang 2021 die Hälfte seines Musikkatalogs an den Hipgnosis Songs Fund verkauft.
Bis jetzt haben sich unter anderem Bob Dylan, Bruce Springsteen, David Crosby, Justin Timberlake, Ryan Tedder, Shakira oder Stevie Nicks dazu entschieden, ihre Urheberrechte zu veräußern. Mit dem neuen Run auf die Musikkataloge ist für die Künstler eine interessante und zugleich lukrative Verdienstmöglichkeit entstanden, die von Tournee (-ausfällen) und geringen Einnahmen von Streaming-Diensten unabhängig macht. Wenig verwunderlich, dass Künstlerinnen und Künstler in der Zwischenzeit lieber eine große Abschlagszahlung eines Investmentfonds akzeptieren, als jeden Monat verhältnismäßig kleine Guthabenauszahlungen von den Streaming-Diensten überwiesen zu bekommen.
Hipgnosis verändert die Musikbranche
Im Jahr 2018 wurde die Investmentfirma von dem britischen Musikmanager Merck Mercuriadis und dem Musikproduzenten Nile Rodgers gegründet. Mercuriadis managte neben Elton John, Iron Maiden und Guns ’n‘ Roses auch seinen Kollegen Rodgers. Dieser ist legendäres Mitglied der Band Chic und war als Produzent unter anderem für David Bowie und Madonna tätig.
Das Unternehmen macht inzwischen den drei Branchenriesen Sony Music, Universal Music und Warner mächtig Konkurrenz und schickt sich an, die ungeschriebenen Gesetze der Musikbranche zu verändern. Denn bis jetzt sind die Verlagsrechte bei den Songschreibern und Verlegern geblieben, während die Aufnahmerechte den Labels und Interpreten gehörten. Mit dem Erwerb ganzer Musikkataloge durch externe Investoren verändert sich diese Situation grundlegend. Plötzlich wird es möglich, dass Firmen wie der Hipgnosis Songs Fund, Shamrock Capital oder KKR Geld mit Tantiemen, Lizenzen und Markenverträgen verdienen, das ansonsten den Künstlern bezahlt worden wäre.
Newcomer haben es schwer im zunehmend digitalen Musikmarkt
Das Interesse der Investoren gilt vor allem den Musikkatalogen der etablierten Songwriter, die sich so eine alternative Einkommensquelle sichern. Aber wie steht es um die Independent-Künstler und Newcomer? Die haben es momentan besonders schwer, da das Musikstreaming vielfach nur noch zu sehr geringen Einnahmen führt und die meisten Künstler davon allein nicht mehr leben können. Deshalb steht ein Großteil der jüngeren Generation von Musikern vor dem Problem, dass eine tragfähige Einkommensquelle fehlt, um den persönlichen Lebensunterhalt auch nur einigermaßen sicher bestreiten zu können.
Hinzu kommt die äußerst fragwürdige Umsetzung des Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie durch das Bundesjustizministerium. Diese besagt, dass 15 Sekunden eines jeden Musikstücks Nutzern haftungsfrei zur Verfügung stehen soll. Damit könnte eine Viertelminute beliebiger Musik auf verschiedene Internet-Plattformen wie z.B. Facebook, Instagram oder YouTube hochgeladen werden, ohne dass die Nutzer dafür Lizenzgebühren abführen müssen.
Musiker wollen gehört werden – aber fair vergütet!
Dass mit dieser sogenannte „Bagatellgrenze“ Musikern faktisch die Kontrolle über ihr Werk entzogen wird, das wird viel zu selten diskutiert. Aber es geht nicht darum, die Nutzung von Musik im Internet prinzipiell zu verbieten. Musiker wollen gehört werden. Und sie wollen auch, dass Ihre Musik in neue, kreative (Video-)Kontexte gesetzt wird.
In der Debatte um die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie geht es vor allen Dingen um das berechtigte Interesse von Künstlern und den Verwertungsgesellschaften, die nicht wollen, dass geschützte Werke ohne Genehmigung (und entsprechende Bezahlung) verwendet werden. Gerade in jüngster Vergangenheit gab es deswegen massive Proteste und Kritik aus nahezu allen Bereichen der Musikindustrie.
Uploadfilter vs. Urheberrechte
In Hinblick auf die Umsetzung der Reform im Rahmen von Expertenanhörungen hat die Bundesregierung vor allem mit Netzexperten und Internetaktivisten gesprochen. Die Befragten (v)erklären Uploadfilter zum größten, vorstellbaren Unglück. So ist bei den Entscheidungsträgern vielleicht der Eindruck entstanden, dass Uploadfilter um jeden Preis verhindert werden müssen, wenn es darum geht, die Zukunft eines freien World Wide Web zu garantieren.
Die Wahrheit ist jedoch: Das automatische Blockieren von Inhalten im Internet gehört auch heute schon zu unserer Realität und wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Urheberrechte nachhaltig zu schützen. Leider fehlt es bislang an konkreten Daten der Plattformbetreiber, um die Wirksamkeit der Uploadfilter in irgendeiner Weise qualifiziert beurteilen zu können.
Neue Regeln für den digitalen Musikmarkt
Nach der Jahrtausendwende sah sich die Musikindustrie massiven und existenziellen Herausforderungen gegenübergestellt – unter anderem, weil Musiktauschbörsen wie Napster riesige Erfolge feierten. Damals wurde der Ruf nach Regularien für den digitalen (Musik-)Markt immer lauter.
Allerdings dauerte es fast zwanzig Jahre, bis die Bundesregierung damit begann, multinationale Internet-Konzerne wie zum Beispiel Google in die Verantwortung zu nehmen. Denn anders als zum Beispiel Amazon Music, Apple Music oder Spotify musste Google viele Jahre lang keine Lizenzen für die Online-Nutzung von Musik erwerben. Trotzdem hatte der Konzernbereich YouTube die Möglichkeit, viele Milliarden US-Dollar mit der Platzierung von Werbung vor den YouTube-Videos der Content-Kreatoren zu verdienen. Es sind also erst die nutzergenerierten Inhalte, die es YouTube ermöglichen, über Werbeanzeigen Geld zu verdienen.
Dass Künstler und Musikschaffende an diesen Einnahmen in irgendeiner Form beteiligten werden wollen, sollte nicht nur nachvollziehbar, sondern selbstverständlich sein. Denn die großen Stars haben die Möglichkeit, mit dem Verkauf ihrer Musikkataloge auch weiterhin ein sehr gutes Einkommen zu erzielen. Der allergrößte Teil der Musikerinnen und Musiker muss sich jedoch täglich den Herausforderungen des digitalen Musikmarkts stellen und neue Wege finden, um mit ihrer Musik und Kreativität Geld zu verdienen.
Jetzt interessieren mich deine Meinung: Wie bewertest du den Trend zum Verkauf ganzer Musikkataloge? Welche Gefahren und Chancen siehst du in dieser Entwicklung? Lasse es mich in den Kommentaren wissen. Ich freue mich, von dir zu hören.