Richtig zu üben habe ich eigentlich erst während meines Studiums gelernt. Natürlich saß ich auch schon in den Jahren davor stundenlang am Schlagzeug, aber es war nicht so effektiv, wie es hätte sein können. Glücklicherweise hatte ich in der Vergangenheit die Möglichkeit, mit vielen großartigen Lehrern zu studieren. Sie waren es, die mir beigebracht haben, wie man richtig übt.
Deshalb möchte ich dir heute 10 praktische Tipps zeigen, die ich über die Jahre gelernt habe. Sie haben mir bis heute gute Dienste geleistet – und ich hoffe, sie werden auch dir helfen, in deinen täglichen Übungseinheiten mehr zu erreichen.
1. Gewöhne dir an, jeden Tag zur gleichen Zeit und am gleichen Ort zu üben.
Wenn du Ort und Uhrzeit einmal festgelegt hast, spart dir das viel Zeit und Überlegung bei der Planung. Wir alle neigen zu gelegentlicher Faulheit, vor allem, wenn es ums regelmäßige Üben geht. Wenn du deine Übungszeit aber so fest in deinen Tagesablauf einbaust wie z. B. das Zähneputzen, musst du dir keine weiteren Gedanken darüber machen, wie du Zeit zum Üben freischaufelst. Egal was passiert, auch wenn du dich an einem Tag nicht gut fühlst, setze alles daran, deinen Plan einzuhalten. Andernfalls verlierst du die Konsequenz und den Schwung, den du brauchst, um dich zu verbessern.
2. Richte deinen Übungsbereich so ein, wie du am besten darin arbeiten kannst.
Vielleicht ist meine Wohnung manchmal das reinste Chaos, aber in meinem Proberaum könntest du vom Fußboden essen. Ich kann nicht gut arbeiten, wenn es chaotisch oder schmutzig ist. Für dich gilt vielleicht das Gegenteil. Vielleicht brauchst du deine Lehrbücher und Notizen quer im Raum verteilt, geordnet nach einem System, das nur du allein verstehst. Worauf ich hinaus will: Richte dich so ein, wie es für dich perfekt ist. In meinem Studio hängen inspirierende Bilder, signierte Trommelfelle, mein Abschlusszeugnis, Auszeichnungen und Fotos jener ehemaligen Lehrer, die mir so viel Zeit und Kraft gewidmet haben. Damit bin ich von Unmengen positiver Energie umgeben, und das hilft mir, mich auf das zu konzentrieren, was ich erreichen möchte.
3. Finde heraus, wie lange am Stück du konzentriert arbeiten kannst, und lass dich davon leiten.
Jeder Mensch ist anders, jeder muss für sich herausfinden, wie lange er oder sie ruhig sitzen und üben kann, bevor die Konzentration abschweift. Ich selbst übe 90 Minuten, dann mache ich eine kleine Pause. Das bedeutet, ich stehe auf und strecke mich, vielleicht hole ich mir ein Glas Wasser, aber die Pause dauert keinesfalls länger als fünf Minuten. Wenn du deine Übungszeit in Einheiten unterteilst, wirst du feststellen, dass du mehr Informationen behältst und länger arbeiten kannst. Du musst dir dein Gehirn als einen Schwamm vorstellen. Sobald der Schwamm voll ist und keinen Platz mehr für neue Informationen hat, musst du eine Pause machen und das Ding auswringen… Wenn du dich bereit fühlst, dann geh mit frischem Verstand und neuer Energie zurück ans Schlagzeug.
4. Übe vor dem Spiegel. Wie du aussiehst, so klingst du.
Es ist dir vermutlich gar nicht bewusst, aber wenn du das nächste Mal übst, nimm dir einen Moment Zeit und konzentriere dich auf deinen Oberkörper. Verspannungen führen zu Rhythmusproblemen und ganz allgemein zu Technikschwierigkeiten. Verspannungen beeinflussen auch unsere Fähigkeit zu atmen. Ohne Sauerstoff funktionieren aber unsere Muskeln nicht und auch unser Verstand schweift ab. Zusätzlich habe ich einen Spiegel als große Hilfe empfunden um beispielsweise die Moeller-Technik zu entwickeln oder Probleme in meiner Hand- und Fußtechnik zu beheben. Ein Spiegel ist eine billige aber sehr wertvolle Übungshilfe, die niemand ungenutzt lassen sollte.
5. Teile deine Übungszeit in 3 bis 4 Einheiten.
Sagen wir, du hast eine Stunde Zeit und möchtest an deiner Technik arbeiten. Dafür schlage ich Folgendes vor: 15 Minuten Snare Drum-Technik und Lesen, gefolgt von 15 Minuten Technik am Drum Set, weiteren 15 Minuten Solospiel und Ideenentwicklung und schließlich 15 Minuten Spiel zu Play-Alongs. Das ist eine gute Methode um eine Stunde lang vernünftig zu üben, ohne sich dabei in den jeweiligen Einheiten zu sehr zu verzetteln. Ich empfehle, den Wecker am Handy zu stellen und immer beim Läuten zur nächsten Einheit überzugehen. Wenn du auch nur ein bisschen wie die meisten meiner Schüler bist, verlierst du dich vermutlich leicht darin, neue Ideen auszuprobieren und einfach vor dich „hin zu nudeln“. Das ist großartig und wichtig, lenkt dich aber auch von der Arbeit ab, die du eigentlich tun wolltest. Aus diesem Grund gönne ich mir am Ende meiner Übungszeiten immer ein wenig Zeit, um einfach zu spielen und es zu genießen! Das ist für mich die Gelegenheit, die Dinge, an denen ich in den einzelnen Einheiten gearbeitet habe, kreativ einzusetzen.
6. Zeichne deine Übungseinheiten auf.
Wie sagt man so schön: Die Aufnahme lügt nie. Gleich nach dem Metronom ist ein Aufnahmegerät wohl die großartigste und wichtigste Übungshilfe, die ich kenne. Ob das ein altes Tonbandgerät oder eine digitale Videokamera mit allen Schikanen oder der neue Macbook mit Pro Tools ist, ist dabei völlig egal. Definitiv ist es aber eine tolle Methode um das eigene Spiel zu analysieren. Übrigens gibt es einen guten Grund, warum Studioschlagzeuger so fantastisch sind…denk mal darüber nach.
7. Arbeite zu 70 % an deinen Schwächen, zu 30 % an deinen Stärken.
Das sollte logisch sein, aber viele Schlagzeuger sind mehr daran interessiert, für die eigenen Ohren (und die irgendwelcher eventuellen Zuhörer) gut zu klingen, als daran, an den Schwachpunkten in ihrem Spiel zu arbeiten. Dabei muss eine gute Übungseinheit gar nicht wie ein großartiger Auftritt klingen. Natürlich spricht nichts dagegen, auch das zu üben, was du bereits gut kannst. Aber dir sollte klar sein, dass Übungseinheiten eben auch einmal scheußlich klingen. Das ist okay, das schert keinen, du lernst ja noch. Ich empfehle durchaus, dass du zwischendurch jene Techniken übst, die dir besonders liegen, schließlich willst du dich perfektionieren. Aber setz dich nicht nur in den Übungsraum, um damit anzugeben, was du schon alles kannst. So vergeudest du nur deine Zeit.
8. Verstehe den Unterschied zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein.
Übungseinheiten können leicht frustrierend werden. Beim letzten Mal hat dieses besondere Lick noch perfekt geklappt – und plötzlich scheinst du nicht einmal mehr im Ansatz zu wissen, wie es funktioniert. Deshalb solltest du eines verstehen: Wiederholung ist die einzige Möglichkeit, neue Informationen vollständig in deinem Gehirn zu verankern. Einer meiner Lehrer hat mir das mal so erklärt: Wenn du etwas zum ersten Mal übst, bringst du es lediglich in dein Bewusstsein. In diesem Stadium beginnst du, die Übung und die Technik dahinter zu verstehen. Kaum geschafft, marschieren wir gerne weiter, aber das ist ein Fehler. Tatsache ist, wenn du begriffen hast, wie etwas zu spielen ist, hat das eigentliche Lernen gerade erst begonnen! Erst, wenn du etwas über einen längeren Zeitraum immer wieder geübt hast, beginnt es, sich in dein Unterbewusstsein zu schleichen.
Stell es dir vor, als würdest du noch einmal lernen müssen, wie man aufrecht geht. Irgendwann im Leben kommt der Moment, in dem man gehen kann, ohne darüber nachzudenken, wie man jetzt genau einen Fuß vor den anderen setzt. Aber am Anfang muss man jeden Schritt sehr vorsichtig tun, sonst fällt man um. Das ist der Unterschied zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein. Das Spiel muss aus dem Unterbewusstsein kommen. Wenn wir versuchen, Techniken zu spielen, die wir gerade mal oberflächlich verstanden haben, kann das nur zu Fehlern führen. Meiner Erfahrung nach ist es das Beste, schwierige Techniken in Ruhe zu Hause zu üben. Auf der Bühne muss man diese dann aber vorerst beiseite schieben und nur das spielen, was wirklich sitzt. Es braucht Zeit, bis sich eine neue Idee fest im eigenen Spiel verankert hat, aber irgendwann ist es so weit.
9. Übe LANGSAM!
Übe in einem langsamen Tempo, vor allem, wenn du an neues Material herangehst. Das ist eine erstaunliche Methode, um neue Informationen rasch im Unterbewusstsein zu verankern. Manchen kommt das frustrierend und krampfhaft vor, aber durch langsames Spiel kann man ein viel tieferes Verständnis von Timing und eine viel präzisere Technik erwerben. Als Schlagzeuger macht man sich oft nur über die Noten Gedanken, nicht aber über die Pausen. Das verleitet einen dazu, zu rennen oder zu schleppen. Eine Übung mit 40 bis 60 bpm zu spielen, zwingt dich dazu, die Pausen zwischen den Noten anzuerkennen, was für das eigene Spiel unsagbar wertvoll ist. Versuch’s einmal, du wirst überrascht sein.
10. Mach dich nicht selber fertig.
Es ist wichtig, dass du dich selbst antreibst, besser zu werden – aber es bringt dir nichts, dich selber fertig zu machen, bloß weil du etwas nicht sofort verstehst. Jeder Schlagzeuger will einzigartig klingen und schnelle Ergebnisse sehen. Manchmal glauben wir, dass uns andere Schlagzeuger scheinbar davon fliegen, und dann verlieren wir die Hoffnung. Doch jeder lernt anders und in einem anderen Tempo. Die einen trägt ihr Naturtalent über den Anfang, aber später, wenn harte Arbeit nötig ist, fahren sie gegen die Wand. Es gibt keine Abkürzungen auf dem Weg zum Erfolg, aber strikte Disziplin kann dabei nur von großem Nutzen sein.
Das waren 10 Tipps, um deine Übungseinheiten zu optimieren. Bestimmt kennst du Kolleginnen oder Kollegen, die von diesem Artikel profitieren können. Zögere nicht, diesen mit ihnen zu teilen.